Kapillarisierungstraining zum Muskelaufbau

Unser Trainingsplan Kapillarisierung ist die Vorstufe zu neuem Muskelwachstum im Fitness- und Kraftsport

von Holger Gugg

Kapillarisierungs-Training führt bei vielen Kraftsportlern nur ein stiefmütterliches Dasein. Der Name alleine besagt ja schon, dass man damit weder nennenswert an seiner Maximalkraft, also der 1-RM Bankdrückleistung, oder dem Dickenwachstum der Muskulatur (Hypertrophie) arbeiten kann. Was viele nicht wissen ist die Tatsache, dass gerade aber diese Art des Krafttrainings die beiden eben genannten Ziele mittel- bzw. langfristig durchaus zu fördern imstande ist. Oftmals mangelt es einfach an mangelndem Verständnis für diese Form des Krafttrainings, um die Zusammenhänge und Benefits zu erkennen von denen man durch regelmäßiges Kraftausdauertraining profitieren kann. Genau DAS wollen wir in unserem heutigen Artikel ändern und wüschen Euch viel Spaß bei unseren Ausführungen.

Training der Ausdauerleistungsfähigkeit im Krafttraining

Kapillarisierungstraining mit Bodybuilder Antonino Longo

Es klingt nach einem Widerspruch und dennoch ist es möglich mit Krafttraining bestimmte Parameter seiner Ausdauerleistungsfähigkeit zu verbessern. Bei der motorischen Fähigkeit Ausdauer geht es zum einen um die physische, aber auch psychische Ermündungswiderstandsfähigkeit und zum anderen um die Regenerationsfähigkeit. Ausdauer kann nicht nur auf eine Art und Weise definiert werden, Sie untergliedert sich in mehrere Erscheinungsformen. Je nach eingesetzter Muskulatur wird entweder die allgemeine oder die lokale Ausdauer trainiert. In Sachen Energiebereitstellung lässt sich die aerobe Ausdauer von der anaeroben Ausdauer unterscheiden. Muskeln können dynamisch oder aber statisch ausdauernd sein. Letztlich untergliedert sich die Ausdauer auch nach dem Faktor Zeit in eine Kurzzeitausdauer, eine Mittelzeitausdauer und eine Langzeitausdauer.

Generell ist es natürlich von Vorteil über eine gute allgemeine Ausdauer zu verfügen. Man spricht davon, wenn mehr als ein Sechstel der Gesamtmuskulatur in eine Belastung involviert ist. Hier ist es hauptsächlich das Herz-Kreislaufsystem welches trainiert wird. Für uns hauptsächlich interessant ist jedoch die lokale Ausdauer, also Übungen die weniger als ein Sechstel der Muskulatur in Anspruch nehmen. Mit der Benennung „ein Sechstel“ geht davon aus, dass sich Adaptionen hier nicht im Bereich des Herz-Kreislaufsystems abspielen sondern eben hauptsächlich in der Peripherie. Beim Kraftausdauertraining findet die Energiebereitstellung hauptsächlich im anaeroben Bereich statt, also ohne die Beteiligung von Sauerstoff, was zur Bildung des Stoffwechselendprodukts Laktat führt. Diese Energiebereitstellung ermöglicht einen relativ hohen Energielevel der aber nicht lange aufrechterhalten werden kann. Auch wenn die Satzdauer länger ausfällt als bei Schnellkrafttraining fällt Kraftausdauertraining in den Bereich Kurzzeitausdauer. Damit man von Krafttraining sprechen kann ist es notwendig mindestens mit 30 % des 1-RM (Maximalkraft) zu trainieren.

Bei Kraftausdauertraining geht es darum den Kraftverlust bei einer vorgegebenen Wiederholungszahl innerhalb eines definierten Zeitraumes möglichst gering zu halten

Was will man mit Kapillarisierunstraining erreichen?

Die Zielsetzung bei Kraftausdauertraining geht dahin, den anaerob-alaktaziden Stoffwechsel zu verbessern. In diesem Zuge soll den am Nährstoffantransport und Abtransport von Stoffwechselendprodukten beteiligten Systemen zu mehr Leistungsfähigkeit verholfen werden. Ein großer Knackpunkt ist dabei der Abtransport von Laktat aus dem belasteten Muskel. Je schneller sich Laktat akkumuliert, desto schneller zwingt uns dies zur Aufgabe. In diesem Zuge trainieren wir mit Kraftausdauertraining auch unsere Säuretoleranz bei länger andauernden Belastungen und lernen gegenüber Laktat eine gewisse Immunität zu entwickeln. Kraftausdauertraining erhöht so die Ermüdungswiderstandsfähigkeit. Ebenso wichtig wie die Leistung während des Trainings ist natürlich auch die Regenerationsfähigkeit im Anschluss ans Training. Auch Sie kann mit gezieltem Kraftausdauertraining verbessert werden. Da sich die Belastung vermehrt im anaeroben Stoffwechsel abspielt, sorgt dies für eine Erhöhung muskulärer Glykogenspeicher und somit für mehr schnell verfügbares Energiesubstrat welches für anaerobe Belastungen zur Verfügung steht. Mit Kraftausdauertraining lässt sich übrigens auch ein Dickenwachstum auslösen, da neuere Untersuchungen zeigen, dass weniger die Wiederholungszahl als vielmehr der Faktor Ausbelastung Hypertrophie auslöst.

Die Zielsetzung bei Kraftausdauertraining geht in Richtung einer verbesserten Laktat-Toleranz und in diesem Zuge einer verbesserten Ermüdungsresistenz bei anaerob-alaktazider Belastung Kapillarisierung.

Was sind Kapillare?
Bei Kapillaren handelt es sich um feinste Blutleitungen, die den Muskel unmittelbar durchbluten. Die 0,5 mm langen Gefäße mit einem Durchmesser von etwa  5-10 µm bilden ein feines Netzwerk, das die meisten unserer Organe und Gewebe versorgt. Über Kapillare findet  der Sauerstoffaustausch statt, angeschlossene werden mit Nährstoffen versorgt und im Gegenzug werden Stoffwechselendprodukte und sonstige Abfallstoffe entsorgt. An den Muskeln befinden sich sog kontinuierliche semmipermeable Kapillaren, deren Wände nur sehr kleine Moleküle durchtreten lassen. Kapillare sind kleinste Blutgefäße. Sie stellen die direkte Verbindung zwischen Muskel und Blutkreislauf dar.

Wie profitiert man von Kapillarisierungs-Training?

Eine der wichtigsten Adaptionen die man in Verbindung mit Ausdauertraining allgemein und eben auch mit Kraftausdauertraining im Speziellen erreicht, ist eine Verfeinerung / Erweiterung des Kapillarnetzes. Während in Ruhe nur etwa drei bis fünf Prozent der vorhandenen Kapillare geöffnet sind, erhöht sich die Zahl unter Belastung auf das 30-50-fache und kann im Zuge von Anpassungsreaktionen die Gesamtoberfläche an Blutgefäßen um das bis zu 100-fache vergrößern. Durch Kraftausdauertraining kann es einerseits zur Öffnung von Ruhekapillaren kommen, es kann aber eine Erweiterung oder Verlängerung bestehender Kapillare sowie eine Neubildung eintreten. Die Aufweitung bereits bestehender Kapillare wird in der Fachsprache als Kollateralenbildung bezeichnet. Eine höhere Kapillardichte sorgt für eine verbesserte Aufnahme von Nährstoffen und Sauerstoff einerseits, andererseits werden aber auch Stoffwechselendprodukte, wie beispielsweise während anaerober Belastung anfallendes Laktat effektiver aus dem arbeitenden Muskel abtransportiert. Im Falle Laktat findet der Transport an weniger  aktives Gewebe statt, wo es als Energiesubstrat wieder eingesetzt werden kann. Das Resultat aus dieser Anpassungsreaktion ist eine verbesserte Leistungsfähigkeit und die eben angesprochene erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung sowohl bei statischer als auch bei dynamischer Arbeitsweise unter Verwendung höherer Lasten mit einem Krafteinsatz von mehr als 30 % der Maximalkraft. Mehr Kapillare bedeutet eine bessere Ver- und Entsorgung und damit eine höhere Leistungsfähigkeit.

Gibt es Einschränkungen bei der Kapillarisierung?

Ergebnisse einer fünf-jährigen Studie aus den USA (Brain Duscha et al - San Francisco 2003) berichten von geschlechtlichen Unterschieden bei der Neubildung von Kapillaren, ausgelöst durch Training Obwohl sich bei beiden Geschlechtern nach 24 Wochen gezielt intensiven (Kraft-) Ausdauertrainings bereits Erhöhungen der maximalen Sauerstoffmenge im Blut um durchschnittlich 20 % ergaben, stellen Muskelbiopsien, lediglich bei den Frauen ein erhöhtes Aufkommen an Kapillaren fest. Die Forscher führen den Unterschied darauf zurück, dass Männer von vornherein bereits über eine höhere Kapillardichte verfügen und die eingetretenen Adaptionen bei Männern so über Veränderungen bestehender Blutgefäße eingetreten seien. Weitere Studien müssen zeigen ob sich geschlechtliche Unterschiede in Sachen Neubildung von Kapillaren bestätigen.

Wie reiht sich Kapillarisierungstraining ins Trainingsgeschehen ein?

Es ist absolut sinnvoll Mesozyklen im Bereich Kraftausdauer regelmäßig in einen Makrozyklus einzuplanen.  Ausgehend von der Makrozyklusplanung nach der ILB-Methode (Individuelles Leistungsbild) kann eine Jahres- oder Halbjahresplanung so beispielsweise aus mehreren sich abwechselnden Zyklen von je 6-7 Wochen in den Bereichen Kraftaufbau, Hypertrophie und eben Kraftausdauer zusammensetzen. Kapillarisierungs-Zyklen sind dazu gedacht neu gewonnene Muskelmasse mit einem dichteren Kapillarnetz zu versorgen und diese so zu einem vollwertigen, gut versorgten Bestandteil der Gesamtmuskulatur zu machen.

Beispielplanung eines Makrozyklus über ein halbes Jahr

Trainingswoche Trainingsziel Wdh./Satz
Woche 1-6      Bereich Kraft 4-6
Woche 7-13  Bereich Hypertrophie 8-12
Woche 14-19 Bereich Kapillarisierung 20-25
Woche 20-26  Bereich Hypertrophie 8-12

Kraftausdauerzyklen sollten im Rahmen der Periodisierung fester Bestandteil einer Makrozyklusplanung sein.

Wie sollte ein Kapillarisierungstraining aufgebaut sein?

Wichtig für die Effektivität eines Kraftausdauertrainings ist die Ausübung von 15 oder mehr Wiederholungen pro Satz. Es kommt weniger auf das verwendete Gewicht, als viel mehr auf die Bewältigung der geforderten Wiederholungszahl an. Ein anderer Ansatz geht dahin für Kraftausdauertraining eine bestimmte Zeit unter Spannung (TUT) von 60-120 Sekunden anzusetzen. 120 Sekunden gelten hier als maximale Grenze, da darüber hinaus vermehrt auf die aerobe Energiebereitstellung umgeschaltet wird und wir hier den Bereich der Kurzzeitausdauer verlassen. Die Satzpausen werden bei Kraftausdauertraining relativ kurz gehalten. Sie liegen im Optimalfall bei nur 30 Sekunden. Erreicht werden soll damit eine sich akkumulierende Ermüdung. Sie ist es, welche die Bildung neuer Kapillare fördert und zum anderen die Anzahl an Mitochondrien im Muskel erhöht. Bei Mitochondrien handelt sich um die Kraftwerke einer Zelle die für den Energieumsatz zuständig sind. Sie machen aus einem Energiesubstrat wirkliche verwertbare Energie. Kapillarisierungstraining gibt klare Vorgaben in Sachen Wiederholungszahl und/oder Zeit unter Spannung und arbeitet mit kurzen Satzpausen

Wie könnte ein Trainingsplan zur Kapillarisierung aussehen?

Abschließend möchten wir Euch einen Beispielplan zur Kapillarisierung vorstellen. Gedacht für 4 Trainingstage pro Woche ist dieser als 2-er Split aufgebaut. Jede Muskelgruppe wird also zwei Mal pro Woche trainiert, was in punkto Superkompensation die optimale Frequenz darstellt. Bei der Wahl der Übungen muss prinzipiell nichts besonderes beachtet werden. Gut ist, was gefällt und was Muskelbrennen erzeugt, denn hier geht es um eine absichtliche Akkumulation von Laktat. Tückisch ist oft die längere Dauer der Sätze. Bei einigen Übungen besteht hier eine große Herausforderung für die Griffkraft, die zum limitierenden Faktor werden kann. Derartige Übungen sind individuell auszuschließen, bis die Griffkraft aufgeholt hat. Die Verwendung von Griffhilfen ist eine Option, aber keine Dauerlösung, da dieses Zubehör nicht zu einer Stärkung des Griffs beiträgt. Auch was die Satzzahl angeht muss nicht, anders als oftmals behauptete auf eine reduzierte Satzzahl zurückgegriffen werden. Die muskuläre Belastung ist NCHT stärker, wie diese bei einem Hypertrophietraining auftritt. In Punkto Wiederholungszahlen empfehlen wir 15-25 Wiederholungen pro Satz zu arbeiten. Rahmenbedingungen Kapillarisierungstraining:

  • 2er Split
  • 4 Trainingseinheiten pro Woche
  • 15-25 Wiederholungen pro Satz (z.B. Woche 1+2 = 15 Wdh., Woche 3+4 = 20 Wdh., Woche 5+6 = 25 Wdh.)

Beispiel-Trainingsplan Kapilliarisierungstraining

Tage 1+3 

Muskelgruppe Übungen Sätze
Rücken Rudern am Gerät
Latzug weit (breiter Griff)
5 Sätze
4 Sätze
Schulter Schulterdrücken KH sitzend
Frontheben KH stehend
Seitheben Maschine
Butterfly Reverse
3 Sätze
3 Sätze 
3 Sätze
5 Sätze
Nacken Shrugs Langhantel
Shrugs Kurzhantel
4 Sätze
4 Sätze
Trizeps Trizepsdrücken am Turm (Obergriff)
Trizepsdrückem am Turn (einmarig Untergriff)
Trizepsdrückem am Seil
3 Sätze
3 Sätze
3 Sätze

Tage 2+4 

Muskelgruppe Übungen Sätze
Brust Bankdrücken Langhantel flach    
Schrägbankdrücken Kurzhantel    
Fliegende Schrägbank Kurzhantel    
4 Sätze
3 Sätze
3 Sätze
Bizeps SZ-Curls sitzend
Langhaltel-Curls stehend
Hammercurls
3 Sätze
3 Sätze 
3 Sätze
Oberschenkelstrecker Beinpresse oder Kniebeuge
Beinstreckermaschine
5 Sätze
4 Sätze
Oberschenkelbeuger Kreuzheben rumänisch Lang- oder Kurzhantel    5 Sätze
Waden Wadenheben stehend. o. Beinpresse
Wadenheben sitzend
4 Sätze
4 Sätze
Bauch Crunches
Beinheben am Dipständer
4 Sätze
4 Sätze

Resümee Kapillarisierungstraining

Kapillarisierungstraining stellt eine völlig eigenständige Art und Weise dar, seine Muskeln zu trainieren. Eigenständige Modelle sorgen immer auch für eigenständige Anpassungen. Im Falle Kraftausdauertraining können diese mittelfristig dabei helfen, Muskeln aufzubauen und die Leistungsfähigkeit zu erhöhen.

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Quellen
http://www.sportunterricht.de/lksport/blutgefaes.html
Lehrbrief Fitnesstrainer-B, BSA-Akademie
Lehrbrief Leistungssport-Bodytrainier, BSA-Akademie
http://www.lexikon.laufblog.ch/training.php?ID=2
http://de.wikipedia.org/wiki/Kapillare_(Anatomie)
http://de.fitness.com/forum/threads/8085-Kapillarisierung-der-Skeletmuskulatur

Bild 1: Kappilarisierungstraining kann auch Spaß machen