Body Dysmorphia – wenn die Körperwahrnehmung gestört ist

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Body Dysmorphia ist eine verzerrte Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers, die schlimmstenfalls zur völligen Isolation führt.

Christian Engel
Autor: Christian Engel
Liz. Coach für Training und Ernährung
aktualisiert am: 19.08.2024

Body Dysmorphia, auch körperdysmorphe Störung, Körperdysmorphie oder Body Dysmorphic Disorder (BDD) genannt, ist eine psychische Störung, bei der die Betroffenen sich selbst übermäßig kritisieren. Einzelne Körperteile werden als entstellt wahrgenommen, was oft zu Hemmungen gegenüber anderen Menschen und eine übertriebene Körperpflege führt. Körperdysmorphe Störungen werden häufig mit Zwangsstörungen verwechselt. Die verzerrte Körperwahrnehmung kann den Alltag stark beeinträchtigen. Bei übertriebener Selbstbeobachtung kann es daher ratsam sein, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Was ist Body Dysmorphia?

Body Dysmorphia ist eine psychische Störung, die mit einem übertriebenen Selbstbildnis einhergeht. Betroffene stören sich an vermeintlichen körperlichen Makeln, die andere Menschen nicht sehen können und auch nicht als störend empfinden. Sie haben beispielsweise das Gefühl, ihre Nase sei zu lang, sie seien nicht schön, schlank oder muskulös genug. Menschen mit einer körperdysmorphen Störung schämen sich wegen ihres Aussehens und fühlen sich daher unsicher in der Öffentlichkeit – oft aus Angst, jemand könnte sie wegen ihrer vermeintlichen Makel kritisieren.

Betroffene beurteilen sich intensiv im Spiegel und versuchen, ihre vermeintlichen Makel zu verbergen, beziehungsweise zu kaschieren. Sie finden sich hässlich und fixieren sich regelrecht auf ihre vermeintlichen Makel. Oft geht die körperdysmorphe Störung mit einer Essstörung einher – mit dem Ziel, den vermeintlich „vollkommenen“ Körper zu erlangen. Durch die Angst, körperlich nicht vollkommen oder gar missgestaltet zu sein, erfahren Betroffene einen immensen Leidensdruck. Nur selten lässt sich sich Erkrankung alleine bewältigen. Meist ist eine zielgerichtete Psychotherapie der einzige Weg, um eine Body Dysmorphic Disorder zu bewältigen.

Wer ist von einer Körperdysmorphen Störung betroffen?

Grundsätzlich kann jeder unter einer Body Dysmorphic Disorder leiden. Bislang liegen keine eindeutigen Studien vor, die das Ausmaß der Erkrankung beziffern können. So sollen sowohl Jugendliche als auch Erwachsene gleichermaßen betroffen sein. Derzeit geht man davon aus, dass etwa zwei Prozent der Bevölkerung unter einer körperdysmorphen Störung leiden, wobei Mädchen und Frauen offenbar häufiger von der psychischen Erkrankung betroffen sind als Männer.

Auf welche Körperteile bezieht sich Body Dysmorphia?

Obwohl eine körperdysmorphe Störung den ganzen Körper betreffen kann, sind die Betroffenen häufig auf einen bestimmten Körperteil oder eine bestimmte Körperregion fixiert. Sie konzentrieren sich ausschließlich darauf und empfinden den betreffenden Bereich als hässlich, entstellt oder gar abstoßend. Body Dysmorphia kann dabei unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Untersuchungen sollen ergeben haben, dass das Gesicht am häufigsten betroffen ist. Betroffene können im Krankheitsverlauf eine regelrechte Abneigung gegen diesen Körperteil entwickeln, der sie in ihren Augen unattraktiv erscheinen lässt. Auch Depressionen und Essstörungen können damit einhergehen.

In der Forschung wird davon ausgegangen, dass bestimmte vermeintliche Gesichtsdefekte besonders stark abgelehnt werden. Darüber hinaus kann sich eine körperdysmorphe Störung auch durch eine Abneigung gegen

  • andere Körperteile (Brüste, Genitalien)
  • die Hautfarbe,
  • die Hautbeschaffenheit (trockene, fettige Haut, Hautunreinheiten),
  • Varizen oder Krampfadern,
  • die Zähne,
  • die Haare (dünnes Haar, Kahlheit),
  • die Gesichtsbehaarung oder
  • den Muskeltonus

zeigen.

Ob eine zu lange Nase, ein zu spitzes Kinn, Fältchen oder zu schmale Lippen: Die Möglichkeiten falsch wahrgenommener Makel sind groß. Diese versuchen Betroffene mit verschiedenen Mitteln zu kaschieren, angefangen beim Make-up bis hin zu Selbstbräunern. Oft konzentriert sich die Erkrankung nicht nur auf einen Körperteil. Es gibt zum Beispiel Menschen, die sich völlig unattraktiv, zu dünn oder zu dick fühlen und deshalb viele Fehler an ihrem Körper finden.

Muskeldysmorphie – eine Form der Body Dysmorphia

Eine Form der Körperdysmorphie ist die Muskeldysmorphie. Sie bezieht sich ausschließlich auf die Muskulatur und betrifft in erster Linie Männer. Wer unter Body Dysmorphia leidet, eifert einem muskulösen Idealbild nach. Allerdings fühlen sie sich durch das verzerrte Selbstbild wenig muskulös, selbst wenn sie eine ausgeprägte Muskulatur haben. Selbst erfahrene Bodybuilder mit ausreichend Muskelmasse können unter dieser körperdysmorphen Störung leiden. Deshalb trainieren sie umso härter, um den Muskelaufbau zu verstärken. Im Allgemeinen geht die psychische Erkrankung mit einem übertriebenen Perfektionismus und einem geringen Selbstwertgefühl einher. Nicht umsonst wird die Muskeldysphonie auch als Adonis-Komplex bezeichnet.

Was sind die Symptome einer Body Dysmorphia?

Wer unter einer körperdysmorphen Störung leidet, konzentriert sich hauptsächlich auf den vermeintlichen Makel. Entweder reden Betroffene ständig darüber, verbringen viele Stunden mit der Körperpflege oder treiben übermäßig viel Sport. Sie denken unentwegt über den Körperteil nach und versuchen ihn durch eine entsprechende Pflege, Make-up, häufiges Enthaaren oder Kleidung zu kaschieren. Oft wird der Körperbereich häufiger berührt und mit den Körperteilen anderer Menschen verglichen. Wer ein Kompliment bekommt, kann es meist nicht annehmen und stellt es sogar infrage. Die Störung geht sogar so weit, dass Betroffene einen plastischen Chirurgen aufsuchen.

Eine andere Form der Störung ist die Vermeidung des Spiegelbildes. Die Betroffenen entwickeln eine regelrechte Abneigung gegen sich selbst und haben deshalb Angst vor anderen Menschen. Im Laufe der Zeit können sich die Ängste so verstärken, dass sie sich aus Scham immer mehr zurückziehen und die Öffentlichkeit ganz meiden. Dies wiederum führt zum Verlust sozialer Bindungen, was die Ängste noch verstärkt.

Durch die ständige Kritik des eigenen Selbstbildes können Betroffene überdies unter sexuellen Störungen oder Impotenz leiden. Auch kann Body Dysmorphia mit Essstörungen, wie zum Beispiel Magersucht, einhergehen.

Welche Ursachen gibt es für Körperdysmorphie?

Die Ursachen einer körperdysmorphen Störung sind breitgefächert und reichen von einem behüteten Elternhaus bis hin zu einer strengen, autoritären Erziehung mit fehlendem Einfühlungsvermögen und fehlender Liebe. Oft können Kinder den Erwartungen ihrer Eltern nicht gerecht werden und lernen überdies nicht, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen sollen. So gehen Studien davon aus, dass ein strenger Vater womöglich zu einer körperdysmorphen Störung beitragen kann. Auch kommen Hänseleien und körperlicher Missbrauch als Ursache einer Body Dysmorphia infrage. Das daraus resultierende Schamgefühl führt letztendlich dazu, dass bestimmte Körperteile oder auch der gesamte Körper abgelehnt werden.

Aktuelle Hypothesen legen auch einen Zusammenhang zwischen Körperdysmorphie und sozialen Medien nahe. Die Darstellung der eigenen Persönlichkeit und die Jagd nach Klicks und Likes sind mittlerweile zu einem regelrechten Hype geworden. Vor allem junge Menschen wollen sich in den sozialen Medien von ihrer besten Seite zeigen und greifen dabei gerne auf Filter zurück, um beispielsweise jünger oder muskulöser zu erscheinen. In Bezug auf Körper und Aussehen werden häufig Vergleiche angestellt, die wiederum das Selbstbewusstsein schwächen können. Statistisch gesehen sind Frauen davon häufiger betroffen als Männer.

Nicht zuletzt werden auch gesundheitliche Ursachen in Betracht gezogen. So soll die Wahrscheinlichkeit einer Body Dysmorphia höher sein, wenn ein Verwandter ersten Grades unter der Störung leidet oder gelitten hat. Auch kommen genetische Faktoren infrage, wenn bestimmte Hirnareale zum Beispiel besonders ausgeprägt und aktiv sind.

Wie sehen die Folgen einer körperdysmorphen Störung aus?

Da der Störung oft der Wunsch nach Perfektion zugrunde liegt, ist die Erkrankung mit einem hohen Leidensdruck verbunden. Betroffene hadern mit ihrem Körper oder verachten ihn sogar gänzlich. Durch das verzerrte Selbstbild fühlen sie sich nichts wert und leiden unter einem minderen Selbstbewusstsein. Umgekehrt würden sie sich besser fühlen, wenn sie das perfekte Aussehen hätten. Pflegeprodukte und Kleidung können nur bedingt über die vermeintlichen Makel hinweghelfen. Viele Betroffene denken auch über Schönheitsoperationen nach. Männer ziehen sogar die Einnahme von Steroiden in Erwägung, um noch muskulöser zu werden. Leider bringen Steroide und operative Eingriffe nicht den gewünschten Erfolg, weshalb sich Betroffene oft in einem Teufelskreis befinden.

Aufgrund des steten Strebens nach Perfektion ziehen sie sich immer mehr zurück – aus Angst, abgelehnt oder diskriminiert zu werden. Betroffenen fällt es schwer, sich mit anderen Menschen zu unterhalten, geschweige denn, eine ernsthafte Beziehung zu führen. Der soziale Rückzug ist, bis hin zur völligen Isolation (soziale Phobie) und Vereinsamung, eine häufige Folge der körperdysmorphischen Störung.

Welchen Verlauf nimmt eine Body Dysmorphia?

Eine Body Dysmorphia lässt sich meist nicht auf Anhieb diagnostizieren. Wer auf ein gepflegtes Äußeres achtet, leidet noch lange nicht unter einer Körperdysmorphie. Oft sind es mehrere Faktoren, die auf eine Body Dysmorphic Disorder hindeuten. Ein Indiz ist zum Beispiel, dass Betroffene viel Wert auf ihr Äußeres legen und die Körperpflege übertreiben. Ihnen ist es extrem wichtig, wie sie von anderen Menschen wahrgenommen und beurteilt werden. Sie betrachten sich lange und mehrmals täglich im Spiegel und stellen mit ihrem Umfeld Vergleiche an – oft auch auf Social Media, indem sie von sich Bilder posten. Dabei achten sie jedoch darauf, sich von der „besten Seite“ zu zeigen und kaschieren die Bilder mit einem Filter.

Wer unter einer Body Dysmorphia leidet, benutzt Cremes, Make-up und Kleidung, um von vermeintlichen Makeln abzulenken. Lassen sich die Makel nicht kaschieren, führt dies meist zu einer verstärkten Unsicherheit. Dies trägt wiederum dazu bei, dass Betroffene das Haus irgendwann nur noch selten verlassen und unter Kontaktarmut leiden. Häufig spielen sie auch mit dem Gedanken, sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen.

Wie wird eine Körperdysmorphie diagnostiziert?

Ein gewisses Maß an Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper ist durchaus normal, jedoch sollte eine übertriebene Kritik als erstes Warnsignal angesehen werden. Eine Body Dysmorphic Disorder lässt sich meist nur schwer diagnostizieren – vor allem im Anfangsstadium. Bei vielen Betroffenen wird die Diagnose erst im fortgeschrittenen Stadium gestellt, wobei die meisten Menschen aus Scham oft sehr spät einen Therapeuten aufsuchen. Häufig leben sie jahrelang mit der körperdysmorphen Störung, ohne zu wissen, dass sie ein psychisches Problem haben. Soweit sich eine körperliche Symptomatik ausschließen lässt, werden Betroffene an einen Psychotherapeuten überwiesen, der die Diagnose letztendlich stellt.

Was für Therapien gibt es bei Body Dysmorphia?

Zunächst ist zu sagen, dass Menschen mit Body Dysmorphic Disorder professionelle Hilfe benötigen. Da die psychische Erkrankung oft mit Depressionen einhergeht, werden bei einer ausgeprägten körperdysmorphen Störung häufig Antidepressiva verschrieben. Begleitend dazu führen Therapeuten eine kognitive Verhaltenstherapie durch, damit Betroffene sowohl ihr Denken als auch ihre Körperwahrnehmung ändern. Hierzu gehört zum Beispiel Spiegelarbeit. Sie zielt darauf ab, dass Menschen mit Body Dysmorphic Disorder ihr Spiegelbild akzeptieren und ihren Körper anders wahrnehmen. Durch die kontinuierliche Spiegel- und Körperarbeit sollen antrainierte Verhaltensweisen langsam aufgelöst werden. Des Weiteren zielt die Psychotherapie auf die Entwicklung eines besseren Selbstbewusstseins ab. So lernen Betroffene, Ängste abzubauen und sich ohne Scham in der Öffentlichkeit zu zeigen und Beziehungen zu knüpfen.

Fazit: Body Dysmorphia: verzerrte Körperwahrnehmung ist behandelbar

Body Dysmorphia ist eine Ablehnung einzelner Körperteile oder des ganzen Körpers. Betroffene weisen immer wieder auf ihre vermeintlichen Makel hin, versuchen diese zu kaschieren oder treiben übermäßig viel Sport. Oft greifen sie auch auf Schönheitsbehandlungen oder Anabolika zurück, um den „perfekten Körper“ zu modellieren. Das Fatale an der körperdysmorphen Störung ist, dass die angestrebte Perfektion nie erreicht wird. Dies kann schlimmstenfalls zu schweren Depressionen oder zur totalen Isolation führen. Glücklicherweise lässt sich eine Body Dysmorphic Disorder behandeln – sowohl medikamentös als auch mit einer kognitiven Verhaltenstherapie. Betroffene lernen im Zuge der Therapie, wie sie ihren Körper auch ohne Selbstkritik akzeptieren können.