Der Nachbrenneffekt beim Krafttraining
Nachbrenneffekt - Was hat es damit auf sich?
Der große Begriff „Training“ lässt sich auf unterschiedlichste Art und Weise definieren, kategorisieren und letztlich ergeben sich aus verschiedenen Trainingsarten sowie Trainingsvariablen auch verschiedenste Effekte. Wo wir gerade bei „Effekten“ sind, was wäre wenn ich Euch sagen würde das es bestimmte Trainingsarten gibt die Kalorien nicht nur während des Trainings sondern auch darüber über bis zu 38 oder sogar 72 Stunden danach vermehrt verbrennen, während bei anderen Trainingsvarianten ein vermehrter Kalorienumsatz mit dem Zeitpunkt endet an dem ihr aufhört körperlich aktiv zu sein?
Interessant? – Ich denke schon, denn nach dem Training auf dem Sofa zu sitzen und trotzdem noch mehr Kalorien zu verbrennen als für gewöhnlich in Ruhe klingt doch nach einer außerordentlich guten Sache, insbesondere für alle diejenigen die überflüssigen Pfunden den Kampf angesagt haben um in Form zu kommen.
Der heutige Beitrag befasst genau damit – nämlich mit dem Begriff „Nachbrenneffekt“ und der Frage, wie relevant diese Größe wirklich ist und wie stark man als Trainierender davon profitieren kann.
STEIGEN WIR EIN - VIEL SPASS
Was genau ist der Nachbrenneffekt?
Was wir in der Szene als „Nachbrenneffekt“ oder Nachbrennwert kennen nennt sich in der Sportphysiologie EPOC (excess postexercise oxygen consumption). Der EPOC beschäftigt sich eigentlich mit einer Mehraufnahme an Sauerstoff dank körperlicher Belastung wie ihn beigefügte Darstellung schematisch aufzeigt:
*entnommen aus: https://cycleandrow.com/blog/2016/01/06/hiit--epoc-explained-finally
Während es zu Beginn körperlicher Belastung erst zu einem Sauerstoffdefizit kommt, passen sich Herz-Kreislauf sowie das Atmungssystem im Laufe des Trainings oder Wettkampfes an. Was zunächst als Sauerstoffdefizit messbar ist (violettes Feld), wird später sozusagen nachgeatmet, jedoch in einer Menge die das ursprüngliche Defizit übersteigt. Diese Erscheinung nennt man nun EPOC der weiter darauf hindeutet, dass NACH einer Belastung zusätzlicher Sauerstoffbedarf gegeben ist.
Veraltet?
Glaubt man den Ausführungen von Mr. Lyle McDonald ist diese These für die Ursache des EPOC nicht mehr aktuell, auch wenn sportliche Institutionen noch heute so ausgeben. Ihm zur Folge resultiert der EPOC nicht aus einem „Sauerstoffdefizit“ sondern resultiert aus einer metabolischen Mehrbeanspruchung des Körpers dank Belastung inklusive eines Anstiegs des Katecholaminspiegels. „…EPOC is the result of a metabolic perturbation“. Nice to know, welche Definition nun tatsächlich absolute Gültigkeit hat ist für unserer Kernfrage jedoch eher zweitrangig denn….
…. die interessante Tatsache kommt jetzt!
Wie Bielinski et al in deren Untersuchung zeigen, erhöht sich nach bestimmten Belastungen neben der Sauerstoffaufnahme auch der Energieverbrauch und hier insbesondere aus die Verstoffwechslung von Fettsäuren. Schünke et al geben an, dass der EPOC für bis zu 38 Stunden anhält! Aus einem Review von Foureaux et al lässt sich ableiten, dass sowohl aerobe als auch anaerobe Belastung den EPOC erhöhen.
Was ist aerob und was anaerob? Unter der „aerob“ versteht man die Möglichkeit des Körpers, Energie unter Zuhilfenahme von Sauerstoff bereit zu stellen. Solange also genug Sauerstoff zur Verfügung steht, können die Kraftwerke unserer Zellen (Mitochondrien) diesen Stoffwechselweg unter Beschlag nehmen, der vermehrt Fettsäuren verstoffwechselt. „Anaerob“ oder dominanter anaerob wird die Energiebereitstellung sobald der Lungenkreislauf nicht mehr in der Lage ist, genug Sauerstoff für höhere Intensitäten zur Verfügung zu stellen. Hier werden nun vermehrt Kohlenhydrate verstoffwechselt und es bildet sich Laktat (Ausnahme alaktazide anaerobe Energiebereitstellung über ATP und CrP) Wichtig |
Börnsen et al zur Folge, hängt auch das Ausmaß des EPOC von der Belastungsintensität und der Belastungsdauer ab. Dazu passend zeigen Forscher, dass bei gleicher geleisteter Arbeit der EPOC aus anaerober Belastung höher ausfällt als der aus aerober Belastung. Ausgeprägte Störungen des Säure-Basenhaushalts, Muskeltraumata, Muskelermüdung sowie ein stärkerer Einfluss auf das Hormonsystem und auch den Proteinstoffwechsel lassen zumindest in der Theorie den EPOC bei Krafttraining höher ausfallen als bei Cardiotraining. Die Ausnahme dieser Regel zeigt sich aus gegenläufigen Studien die Krafttraining mit der Cardio-Sonderform HIIT (High Intensity Intervall Training) verglichen und zweit genanntem einen höheren EPOC für 22 Stunden nachwiesen (Paoli et al).
Cardiotraining konventionell oder als Intervalltraining? Teuth et al belegen in deren Studie einen um 100kcal erhöhten Mehrverbrauch (Trainingseinheit +EPOC) über 24 Stunden nach HIIT-Training verglichen mit konventionellem Steady-State-Cardiotraining. Trap et al bestätigen dieses Ergebnis, indem Sie Intervalltraining 10% mehr Gesamtkalorienumsatz binnen 24 Stunden nach einer Trainingseinheit nachweisen.
Interessant |
Von Kevin und Kollegen erfährt man, dass einerseits ein starker Zusammenhang zwischen Belastungsintensität und der Ausprägung des EPOC (Stärke und Dauer) besteht, die Forscher konnten zudem nachweisen, dass der Nachbrenneffekt bei Untrainierten höher ausfällt als bei Trainierten (wahrscheinlich aufgrund bereits stattgefundener Anpassungsprozesse).
Fassen wir bis hierher zusammen
Wenn wir uns körperlich betätigen kommt es abhängig von Belastungsart der Belastungsart und Belastungsdauer neben einem vermehrten Sauerstoffverbrauch auch zu einer unterschiedlich starken Erhöhung des Kalorienumsatzes im Anschluss an körperliche Aktivität. Intensives Krafttraining scheint diesen Nachbrenneffekt dabei stärker zu erhöhen als konventionelles Cardiotraining. HIIT erhöht den EPOC offensichtlich am stärksten. Insgesamt dürfen sich Untrainierte eine höhere EPOC-Ausbeute zu erhoffen als Trainierte
Welches Potenzial verbirgt sich wirklich hinter dem Nachbrenneffekt?
Uneinigkeit hinsichtlich echter Effekte
Es wäre ja auch zu schön um wahr zu sein wenn sich die Wissenschaft einmal in einer Sache sicher und gänzlich einig wäre. Da auch beim Nachbrenneffekt Uneinigkeit herrscht müssen wir uns ansehen welche interessanten Ergebnisse es gibt und welche Rückschlüsse sich daraus ableiten lassen.
Intensität ist Pflicht!
Damit überhaupt ein EPOC auftritt bedarf es einer bestimmten Intensität die sich McDonald zur Folge mit 65% HFmax benennen lässt.
Reynolds und Kravitz sprechen sich in deren Review insbesondere bei nüchtern abgehaltenen, hoch-intensivem Krafttraining für bedeutende Effekte ausgehend vom EPOC aus, während bei weniger intensiven, dafür aber länger abgehaltenen Trainingseinheiten von kleineren Effekten die Rede ist. Dass es für signifikante Effekte intensiv zugehen muss zeigt euch eine relativ neue Studie von Simmons und Kollegen.
Fatourus et al untersuchten 2009 den Einfluss von Krafttraining an 8 nicht trainierten Best-Agern (65 bis 82 Jahre). In den Results ist nach zu lesen: „REE reached baseline after 48 h in the low- and moderate-intensity groups and after 72 h in the high-intensity group“. Über 72 Stunden wurden mehrere Hundert Kalorien dank EPOC zusätzlich mehr verbrannt bevor der Grundumsatz zum Ausgangswert zurückkehrte. Letztlich sprechen sich auch Thornton et al für einen stärkeren EPOC dank hoher Intensität im Krafttraining aus.
„Kleinvieh mach auch Mist“
In einem Review aus 2006 fassen Foureaux et al das Potenzial des EPOC wie folgt zusammen:
- Der kalorische Mehrumsatz ausgehend vom EPOC fällt gering aus
- Kumulative Effekte sind denkbar (ala “Kleinvieh macht auch Mist“)
- Ein signifikanter Einfluss des EPOC auf Gewichtsverlust konnte nicht bestätigt werden
Eine ebenfalls interessante Contra-EPOC-Studie stammt aus 2013. Abboud et al bauten diese mit trainierten Probanden und im Rahmen eines Krafttrainingsprotokolls mit 85% 1-RM (6-8 Wiederholungen) auf, welches einmal eine Gesamtlast von 10.000kg, ein weiteres Mal von 20.000kg vorsah um damit unterschiedliche metabolische Anforderungen zu vergleichen. Die Sportler verbrauchten während des Workouts mit 20.000 kg zwar mehr Kalorien, in Sachen EPOC unterschieden sich jedoch bei Gruppen nicht und es kam binnen 48 Stunden nach den Trainingseinheiten auch nicht zu nennenswerten Erhöhungen des Kalorienumsatzes.
Positive Meldungen zum EPOC
In einer Studie der Appalachain State University sorgte eine 45-minütige Trainingseinheit auf dem Ragergometer mit 85%-HFmax für einen 14 Stunden erhöhten EPOC der insgesamt einen Mehrverbrauch von 190 Kalorien verursachte. Die Southern Illinois University testete den Effekte eines Ganzkörpertrainings an übergewichtigen jungen Männern und stellte eine Ruheumsatzerhöhung von tägl. 100 Kalorien fest die bis 3 Tage nach der Belastung anhielt.
Jeferson et al sprechen sich ebenfalls für Signifikanz des EPOC aus Krafttraining aus, gingen aber noch einen Schritt weiter, indem Sie sich zudem mit der Effektivität einzelner Übungen auseinandersetzten. Wie beigefügte Darstellung zeigt, stellt der ½ Squat (und sicher auch der Ass to Gras-Squat) eine hervorragende Übung zur Maximierung des EPOC dar.
(nicht weiter verwunderlich angesichts der Fülle involvierter Muskeln)
NOCHMAL FÜRS VERSTÄNDNIS Beinahe alle Energie die im Rahmen des EPOC verstoffwechstelt wird entstammt Fettsäuren! Schon 20 Minuten nach dem Training ist ein starker Abfall der Kohlenhydratverstoffwechlung messbar! |
Was kann man sich denn nun erhoffen?
In Zahlen aus ausgedrückt berichten Binzen et al von einer Ruheumsatzerhöhung dank EPOC in Höhe von 18,6% aus, was einen sicher nicht unerheblichen Wert darstellt (hier gemessen an trainierten Probandinnen in Verbindung mit Krafttraining). Andere Studien sprechen sich hingegen nur für eine Erhöhung um 4,2% (Krämer et al) oder 4,7% (Melbyet al) aus, was in etwa einem Mehrverbrauch von nur 50 Kalorien entspricht.
Auch McDonald äußert sich zur Thematik des EPOC. Seinen Angaben zur Folge fällt dieser in Verbindung mit Cardiotraining am höchsten bei 85% HFmax aus. Während mit dieser Methode eine Erhöhung des Gesamtenergieverbrauchs um7% bewerkstelligt werden kann scheint sich die Ausbeute mit Intervalltraining (HIIT) auf 13% zu erhöhen. In Verbindung mit Krafttraining liegt die Ausbeute bei 9 bis 11% Erhöhung der Stoffwechselrate mit einer möglichen Dauer von 37 Stunden, allerdings nur wenn das Training ein hohes Volumen zwischen 30 und 60 Sätzen aufweist. Auf der anderen Seite ist die Rede von Studienergebnissen mit 700 extra verbrannten Kalorien über 48 Stunden als Resultat aus einem Krafttraining mit nur 16 Sätzen.
Resümee
Der Nachbrenneffekt existiert! Er steigt linear mit zunehmender Belastungsdauer, exponentiell aber mit zunehmender Belastungsintensität. Für die Praxis bedeutet dies, dass man für merkliche Effekte aus dem Nachbrenneffekt im Training ordentlich Gas geben muss! Eine genaue Aussage, wie viele zusätzliche verbrannte Kalorien man sich nun letztlich erhoffen darf kann dank Uneinigkeit in Studien nicht getroffen werden. Sie liegt irgendwo in einem niedrigen Bereich von nur 50 bis mehreren Hundert. Da neben dem Nachbrenneffekt noch weitere Gründe für intensives Krafttraining und Cardiotraining in seiner Form als HIIT sprechen sollte man den EPOC als zusätzliches Argument ansehen, beides regelmäßig zu betreiben.